Technik und Prozesse

Historie

Automatische Kupplungen (AK) sind weltweit im Schienengüterverkehr im Einsatz – außer in Europa (vgl. Abbildung 1). Tatsächlich ist es in Europa als einzigem Kontinent nicht gelungen, im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Automatische Kupplung einzuführen. In den USA ist seit dem Jahr 1893 eine Janney-Kupplung im Einsatz. In der ehemaligen Sowjetunion wurde zwischen 1935 und 1957 eine SA3-Kupplung eingeführt. In verschiedenen Ländern weltweit werden Mischsysteme aus AK und Schraubenkupplung verwendet (z. B. in Finnland). In Europa wurden in den 1960/70er Jahren sowie in den 1990er Jahren erfolglose Anläufe zur Einführung einer AK unternommen.1

Abbildung 1: Weltweite Verbreitung automatischer Kupplungen im SGV

Europa ist somit der letzte Kontinent ohne automatisches Kupplungssystem im Schienengüterverkehr. Allerdings könnte es der erste Kontinent mit einem Digitalen Automatischen Kupplungssystem werden.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden automatische Kupplungen insbesondere zur Erhöhung der Arbeitssicherheit bzw. zur Reduzierung von Rangierunfällen eingeführt (z. B. in den USA). Mitte des 20. Jahrhunderts – zeitgleich mit ersten Versuchen der Migration einer AK in Europa – stand die Erhöhung der Produktivität beim Kuppelvorgang im Vordergrund. Jedoch konnte mit der damals zur Verfügung stehenden Technik lediglich das Kuppeln automatisiert werden. Weitere Arbeitsschritte, die vom Rangierpersonal vor der Abfahrt eines Zuges durchzuführen sind, konnten nicht optimiert werden. Letztlich verhinderten wirtschaftliche Gründe die Einführung einer AK. Im 21. Jahrhundert wird die Digitale Automatische Kupplung als wesentlicher Baustein der Digitalisierung und Automatisierung des Schienengüterverkehrs betrachtet.

1Für weitere Informationen zur weltweiten Verbreitung automatischen Kupplungen vgl. BMDV, Erstellung eines Konzeptes für die EU-weite Migration eines Digitalen Automatischen Kupplungssystems (DAK) für den Schienengüterverkehr, Fachbericht Technik DAK, 2020, Stand: 27.11.2020.

Von der Schraubenkupplung zur DAK

Frühes 20. Jahrhundert
Verwendung von Schraubenkupplungen in Europa

Spätes 20. Jahrhundert
In Europa sind Schraubenkupplungen weiterhin Standard

21. Jahrhundert
Digitale Automatische Kupplung (DAK) als Voraus­setzung zur Automatisierung und Digitalisierung des SGV in Europa

Mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung im Bahnbetrieb sind viele Anwendungen in Entwicklung, die es ermöglichen werden, die Attraktivität und Produktivität des Schienengüterverkehrs deutlich zu steigern. Folgende Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:

Quelle: BMDV, Erstellung eines Konzeptes für die EU-weite Migration eines Digitalen Automatischen Kupplungssystems (DAK) für den Schienengüterverkehr, 2020, Stand: 27.11.2020

Dabei kuppelt die DAK nicht nur mechanisch, sondern verbindet zusätzlich die Luftleitungen für das Bremssystem, sowie die Strom- und Datenleitungen der Güterwagen. Die ausreichende Energieversorgung auf den Güterwagen, eine sichere Datenkommunikation sowie eine Automatisierung des Kuppelvorgangs sind Voraussetzungen für eine Automatisierung bahnbetrieblicher Prozesse.

Während die in den meisten Ländern der Welt eingesetzten AK Typ 1 lediglich mechanisch kuppeln, kann beispielsweise eine DAK Typ 5 neben der automatischen Verbindung von Luft,- Strom- und Datenleitungen auch ferngesteuert entkuppelt werden. Somit bietet sie den größten Mehrwert für eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung des SGV in Europa. Allerdings ist der Sprung von einer Schraubenkupplung zu einer DAK Typ 5 sehr groß – in technischer, betrieblicher und finanzieller Hinsicht.

Im Sektor SGV besteht daher weitgehende Einigkeit darüber, zunächst die Migration einer DAK Typ 4 zu verfolgen. Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass diese aufwärts-kompatibel mit und upgrade-fähig zu einer DAK Typ 5 ist.

Von der Einführung einer DAK profitieren nicht nur Eisenbahnverkehrsunternehmen, sondern sie bietet auch einen Mehrwert für verschiedene Stakeholder von der Bahnindustrie über die Verlader, Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), Wagenhalter bis hin zu Politik und Gesellschaft, die von einem wettbewerbsfähigeren Schienengüterverkehr profitieren, in dem Verkehre von der Straße auf die Schiene verlagert werden können.

Nutzen

Um die gesteckten Klimaziele in Europa erreichen zu können, ist eine Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf die Schiene unerlässlich. Doch das kann nur ein wettbewerbsfähiger Schienengüterverkehr (SGV) leisten. Die DAK ist eine der Voraussetzungen dafür. Daher gilt: Ohne die DAK wird Europa seine Klimaziele verfehlen.

Das Kuppeln und Entkuppeln eines Zuges erfolgt in Europa heute immer noch überwiegend vollständig mechanisch mit Schraubenkupplungen und Puffern, ohne Strom- und/oder Datenleitung. Das Kuppeln eines Zuges mit 25 Wagen nimmt n der Regel ca. 60 Minuten nur für Wegezeiten in Anspruch. Der Lokrangierführer muss den Zug bis zu drei Mal ablaufen. Mit Rangieren, Bremsprobe und Wagenuntersuchung kann die Zugvorbereitung insgesamt zwei bis drei Stunden dauern. Noch länger dauert es, wenn ein Wagen ausgereiht werden muss. An den manuellen Abläufen zur Zugvorbereitung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel verändert.

Durch die DAK kann dem SGV der Sprung ins 21. Jahrhundert gelingen. Neben automatischem Kuppeln erlaubt die Einführung von Strom- und Datenleitungen via DAK die Automatisierung bahnbetrieblicher Prozesse, wie z. B. einer Bremsprobe, sowie die Einführung elektronisch gesteuerter Bremssysteme und der Datenkommunikation über den ganzen Zug hinweg. Die aufwendigen manuellen Prozesse im SGV werden dadurch komplett automatisiert. Ein Güterzug ist dann nicht erst nach Stunden, sondern schon nach Minuten zur planmäßigen Abfahrt bereit.

Die DAK bietet zudem die Möglichkeit, längere und schwerere Züge zu bilden – ein weiterer entscheidender Schritt zur Effizienz und Produktivität im SGV. Elektrische Energie im Zugverband ermöglicht den Einsatz der elektro-pneumatischen Bremse, die im Vergleich zu der rein pneumatischen Bremsansteuerung höhere Geschwindigkeiten und kürzere Bremswege erlaubt. Strom und Datenleitungen treiben auch die Einführung von Sensoren am Wagen, beispielweise für die permanente Wagenkomponenten- und Frachtüberwachung, voran. Sie ermöglicht den Kunden die seit Langem dringend geforderte Einbindung des SGV in digitale Logistikketten.

Dies sind nur einige Beispiele für den Nutzen der DAK. Insgesamt wurden 28 verschiedene Anwendungsfälle identifiziert. Einige ergeben sich aus der reinen Verwendung einer automatischen Kupplung, unabhängig vom Automatisierungsgrad. Andere Anwendungsfälle ergeben sich aus der Enabler-Funktion einer DAK für die Automatisierung des Schienengüterverkehrs. Zusätzlich bestehen Potenziale in den Bereichen Arbeitssicherheit, Personalrekrutierung, Energieeinsparung sowie Erschließung neuer Marktsegmente.

Effizienz­steigerung – Nutzen aus DAK


  • Reduzierung des manuellen Rangieraufwands
  • Reduzierung Rangieraufwand durch Entfall Beidrücken Güterwagen nach Ablaufberg
  • Beschleunigung Rangiervorgänge und Erhöhung System­geschwindigkeit im SGV
  • Bildung von längeren Zügen
  • Bildung von schwereren Zügen
  • Erhöhung Fahrgeschwindigkeit durch Nutzung Bremsstellung „P“
  • Reduzierung Instand­­haltungs­aufwand: verringerter Radsatz­verschleiß
  • Reduzierung Instand­­haltungs­aufwand: Entfall Pufferverschleiß und -schmieren
  • Reduzierung Instand­­haltungs­aufwand durch geringeren Infrastruktur­verschleiß
  • Erhöhung Zuladung durch Einsparung Puffer
  • Reduzierung Wagengewicht durch veränderte Konstruktion

Sicherheit, Personal, Markt­potenzial


  • Erhöhung Entgleisungs­sicherheit
  • Erhöhung Arbeitssicherheit für Rangierpersonal
  • Aufrechterhaltung des Rangierbetriebs bei Personal­rekrutierungs­schwierigkeiten
  • Erhöhung Rekuperation durch veränderte Längsdynamik im Zug
  • Erschließung neuer Marktsegmente aufgrund schnellerer Transport-/­Umlaufzeiten

Auto­matisierung, DAK als Enabler


  • Automatische Bremsprobe
  • Automatische Berechnung Bremsgewicht
  • Conditioned-based maintenance über On-board-Zustandskontrolle der Komponenten
  • Entfall Batterie-Tausch für Telematik-Geräte durch Verwendung Stromleitung
  • Erhöhung System­geschwindigkeit durch Wegfall Umstellen Bremshebel­stellung „P“ oder „G“
  • Zugintegritäts­kontrolle
  • Ladungs­überwachung/­Beladungs­überwachung
  • ep-Bremse
  • Entgleisungs­detektion
  • Erfassung der Wagenreihung
  • Erfassung der Bremszustände
  • On-board-Heißläufer­detektion

Aktuelle Lösungen
(aus BMVI-Studie)

Aktuell werden im Pilotprojekt DAK Test und Demonstrator DAK Typ 4 Kupplungen von vier Herstellern getestet.

DB Cargo AG

CAF Construcciones y Auxiliar Ferrocarriles ist ein spanischer Anbieter von Ausrüstungen und Komponenten für Zugsysteme. CAF entwickelt derzeit im Rahmen von Shift²Rail eine DAK Typ 4 auf der Basis einer SA3-Kupplung. Der Entwicklung vorausgegangen war eine Bewertung verschiedener Kupplungstypen auf ihre Eignung im Schienengüterverkehr. Wegen der einfachen Konstruktion einer SA3-Kupplung, der langjährigen Erfahrung damit im Schienengüterverkehr sowie der von CAF eingeschätzten Kostenvorteile bei der Konstruktion dieser Kupplung im Vergleich zu anderen Kupplungstypen hat sich CAF für einen SA3-Kupplungskopf als Basis für die Kupplung entschieden. Erste Prototypen wurden dem DAC4EU-Projektträger im Herbst 2020 zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Ermewa SA
GATX Rail Europe
Rail Cargo Austria AG

Rail Cargo Group ‒ Güterverkehr der ÖBB: Mit 9.340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Niederlassungen in ganz Europa und einem Jahresumsatz von 2,3 Mrd. Euro zählt die Rail Cargo Group zu den führenden europäischen Bahnlogistikunternehmen. Ihr flächendeckendes Produktionsnetz mit End-to-End-Logistiklösungen im gesamten eurasischen Kontinent verbindet Menschen, Unternehmen und Märkte – von der ersten bis zur letzten Meile. Als nachhaltiges Rückgrat der Industrie erspart sie der Umwelt mit ihren Transporten auf der Schiene österreichweit 1,1 Millionen Tonnen CO₂. Die Rail Cargo Group setzt Maßstäbe bei Innovation und Digitalisierung und gestaltet die Branche maßgeblich mit.

Mit Kompetenz und Leidenschaft realisieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukunftsorientierte und punktgenaue Logistiklösungen aus einer Hand für Ganzzug-, Einzelwagenverkehre und intermodale Transporte. Rund 105 Mio. Tonnen Güter bringt die Rail Cargo Group jährlich an ihr Ziel – umweltfreundlich, zuverlässig, flexibel und schnell.

Aktuelle Lösungen

Aktuell werden im Pilotprojekt DAK Test und Demonstrator DAK Typ 4 Kupplungen von vier Herstellern getestet.

CAF S.A.

CAF Construcciones y Auxiliar Ferrocarriles ist ein spanischer Anbieter von Ausrüstungen und Komponenten für Zugsysteme. CAF entwickelt derzeit im Rahmen von Shift²Rail eine DAK Typ 4 auf der Basis einer SA3-Kupplung. Der Entwicklung vorausgegangen war eine Bewertung verschiedener Kupplungstypen auf ihre Eignung im Schienengüterverkehr. Wegen der einfachen Konstruktion einer SA3-Kupplung, der langjährigen Erfahrung damit im Schienengüterverkehr sowie der von CAF eingeschätzten Kostenvorteile bei der Konstruktion dieser Kupplung im Vergleich zu anderen Kupplungstypen hat sich CAF für einen SA3-Kupplungskopf als Basis für die Kupplung entschieden. Erste Prototypen wurden dem DAC4EU-Projektträger im Herbst 2020 zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Dellner Couplers AB

Dellner ist ein weltweit tätiger Kupplungshersteller mit Hauptsitz in Vika, Schweden. Mit 1.000 Mitarbeitenden an 22 Produktions-, Montage- und Vertriebsstandorten rund um den Globus ist Dellner heute führender Systemintegrator an der Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Triebfahrzeug. Hauptproduktgruppen sind vollautomatische Kupplungen, Übergangssysteme, Dämpfer und Service. Dellner entwickelt ebenfalls Prototypen einer DAK Typ 4 und beteiligt sich an den gegenwärtig in Deutschland durchgeführten DAK-Tests. Dabei setzt Dellner für die DAK auf das Latch-Type-Design, die unternehmensneutrale Bezeichnung für das Scharfenberg-Design.

J. M. Voith SE & Co. KG

Die J. M. Voith SE & Co. KG ist ein deutscher Anbieter von Kupplungssystemen mit Sitz in Salzgitter. Voith entwickelt ebenfalls eine DAK-Typ 4-Scharfenberg-Kupplung für die Tests von DAC4EU. Voith hat bereits eine AK Typ 2 mit Scharfenberg-Design bei der SBB Cargo erprobt und in den Serienbetrieb gebracht. Auch im BMDV-Forschungsprojekt „Aufbau und Erprobung innovativer Güterwagen“ hat Voith Scharfenberg-Kupplungen für den Demonstrator-Zug zur Verfügung gestellt.

Faiveley Transport

Faiveley Transport, mit Sitz in Gennevilliers bei Paris, ist ein Unternehmen der Wabtec Corporation, und als Fahrzeug- und Komponentenhersteller weltweit tätig. Faiveley Transport entwickelt ebenfalls Prototypen einer DAK Typ 4, setzt dabei jedoch auf einen Schwab-Kupplungskopf, der weniger verbreitet ist als die Scharfenberg- bzw. die SA3-Kupplung. Schwab-Kupplungen kommen überwiegend im Schienenpersonenverkehr in der Schweiz zum Einsatz. Wie Voith hat sich auch Faiveley Transport sowohl am 5L-Demonstrator-Zug der SBB Cargo in der Schweiz als auch am deutschen Forschungsprojekt „Innovativer Güterwagen“ durch die Bereitstellung von AK Typ 2 beteiligt.